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Der kleine Zirkus
16 Juni 2019 / 17:00 – 17:30

Vor einigen Jahren, beim Festival in Aurillac, spielte
die Gruppe Mu- sicabrass seine genüsslichen Jazzmelodien im Freien. Die
Musiker hin- gen sehr hoch an einem Kran, eine Art fliegender Musikanten,
ein Mobile aus Menschen, ein Riesenspektakel. Zwanzig Jahre später,
be- gegne ich einem der Musiker wieder, hinter einer Bühne mit einer
Me- ter breiten Öffnung, auf der er mit winzigen Spielsachen aus Plastik
zu einem guten Soundtrack spielt. Kreisel singen im Sterben, Seiltänzer strengen
sich an, mit Keulen bewaffnete Pandas schlagen auf Metallfe- dern ein
und Akrobaten rollen steile Abhänge aus Papier hinunter: Laurent Bigot
mit «Le petit Cirque». Auch wenn man sich Mühe gibt, so kann man dieses
Ufo nirgendwo einordnen. Zu seiner Tierwelt gehören verschiedene
Wesen: einige hauen zu, andere drehen sich im Kreis, andere durchqueren
den Raum auf einem Seil. Wieder andere zupfen, schlagen, kratzen Saiten
und gespannte Felle. All dies geschieht in einem winzigen Saal des
neuen Kultur-und Freizeitzentrums «Ma Bohême» im OFF Programm. Es
ist kein Konzert. Man staunt über die Dramaturgie, denn das Spiel
erzählt nichts und man denkt natürlich an Calder mit seinem anderen
kleinen Zirkus und seinen winzigen Figürchen aus Draht. Dann gibt man
auf, denn all dies ist unvergleichbar. Am nächsten Tag, bei einem Kaffee
mit Croissant, suche ich nach Antworten.
Laurent Bigot: Ich habe den Eindruck, dass beim Zuschauer als
erstes das Auge reagiert. Ich fühle mich beim kleinen Zirkus als Musiker.
Es ist Musiktheater, man hört und sieht dieselbe Handlung. Das Projekt entwickelt
sich, es ist vor 15 Jahren entstanden und wird nach und
nach vervollständigt. Die Musik für den Zirkus ist jeweils die auf den
Vorschlag des Objekts angemessene Antwort. Eine Situation kann für
das Auge lang erscheinen, doch für das Ohr braucht es seine Zeit. In
der Szene mit den Kreiseln zum Beispiel hält die Musik alles zusammen.
Ich suche Tiere mit einem bestimmten Geräusch, Objekte die sich von
selbst bewegen: Spielzeug mit einem kleinen Motor, Kreisel. Ich hasse
sie. Manchmal muss man etwas beisteuern, um das Geräusch
interessant werden zu lassen, wie bei den Stahlfedern der Pandas. Manchmal
finde ich ein optisch interessantes Spielzeug und muss dann herausfinden welche
Töne es hergibt; das geht manchmal sehr lange. Es geht sogar bis zu
Toneffekten, wie bei der Rückkoppelung. Der Trapezkünstler ist
auf einen Lesekopf montiert und wenn er den Raum durchquert, so liest
er eine Tonspur mit bedeutungslosen Geräuschen. Die Verstärkung,
die Stellung des Trapezkünstlers und die Mischkanäle erzielen
mehr oder weniger zufällige Rückkoppelungseffekte.
Keine Dramaturgie, aber ein Spiel mit Nummernvorführung. Ich behandle
auch das Visuelle als Spiel. Der optische Aspekt dieser
billigen Spielzeuge wird für mich zur Materie. «Le Petit Cirque» zu
spielen be- deutet nicht Zirkusnummern zu zeigen, es ist wirklich ein
Spiel. Das Stück ist technisch schwierig, aber auch der Zwischenfälle
wegen nicht einfach. Die Zufälle müssen in Glücksfälle umgewandelt
werden. Wenn eine Nummer zu sehr wie vorgesehen abläuft, dann verursache
ich einen kleinen Unfall. Damit ich mich nicht langweile. Ich befürchte
es wird zu lang.
Mit der Zeit wird man wie besessen. Alles ist zerbrechlich, alles muss gut
unterhalten werden. Ich verbringe Stunden mit meiner Musik, um einen
Kreisel drehen zu lassen und ich fühle mich wie besessen. Aber ich bin
vor allem sehr gewissenhaft. Ich spiele weiterhin Musik, das Stück
hat mich nicht vollkommen aufgefressen. Das ist ein gutes Zei- chen.
Ich fing mit dem Stück an bevor ich Calder kannte. Dann habe ich seinen
Film gesehen. Diese Angleichung ist daher zufällig, aber die
un- glaubliche Zerbrechlichkeit der beiden Zirkusvorführungen bringt
sie einander näher.
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